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62. Mülheimer Lesebühne

Sich schon kurz vor der Sommerferienreisezeit in andere Länder und Welten versetzen zu lassen, das war die Intention der Lesebühnenbesucher vom 05. Juli 2019. Und so ging es nach der Begrüßung durch Manfred Wrobel und der agilen und flotten Anmoderation durch Christiane Rühmann direkt mit Namibia los.

 

Helga Loddeke, ein neues Gesicht auf der Bühne, las eine in autobiographischer Weise geschriebene Geschichte mit dem Titel „Afrika Dreams“ vor. Sie handelt von Laura, die in einem TV-Beitrag das Leid von rd. 400 namibischen Kindern gesehen hatte, und nun unbedingt die 11. Klasse der Namib High School besuchen wollte. Diese Kinder waren in Heimen der DDR aufgewachsen, wohin sie zu ihrer eigenen Sicherheit wegen des Unabhängigkeitskrieges der SWAPO gegen Südwestafrika gebracht worden waren. Un- und außergewöhnliche Erlebnisse, die mit viel Spannung gespickt sind.

 

Ein alter Bekannter, Wolfgang Brunner, der das Publikum schon mit vielen sehr unterschiedlichen Themen konfrontiert hat, ist unter die Science-Fiction-Schriftsteller gegangen. Was sich da um einen Erlebnispark namens Movie Drom mit einer 2.500 Meter langen Achterbahn abspielt, wie die Aliens von -220 Grad kalten erdähnlichen Planeten ihre Invasion durchführen wollen und welche wissenschaftlichen Kräfte von EXOPLANET Mittel und Wege der Abwehr finden wollen, wird – wie immer – sehr detailliert und gut recherchiert erzählt.

 

Ein Rentner auf Reisen in einem Land, dessen Sprache er nicht versteht. Das ist das Thema von Oliver Bruskolini in seinem Romandebüt „Ein letztes Mal Sizilien“. Flott vorgetragen und mit anschaulichen Bildern vertraut gemacht, amüsierten sich die Zuhörer u. a. über die Verwicklungen, die entstehen, wenn man im Dunkeln eine Dame mit „Trombare, por favore“ anspricht.

 

Madame La Groketterie alias Martina Lichter trug zur Auflockerung des Abends mit sehr angenehmer Stimme recht melancholische Musik vor. Ihre balladenähnlichen Stücke begeisterten alle und machen Lust auf mehr.

 

Ester Samson ist die Autorin von „Sie fanden Liebe südlich der Sahara“. In dieser Geschichte, die in Nigeria spielt, geht es um viel zu ertragendes Leid und viel menschliche Regungen, was auch sehr überzeugend vorgetragen wurde.

 

Eine erfahrene Lyrikerin wie Gabriele Franke ließ es sich nicht nehmen, das Publikum auf einem sehr umfangreichen Streifzug durch ihre Werke mitzunehmen. Sprachlich gekonnt und mit interessant verwobenen Sprachbildern fesselte sie die Liebhaber anspruchsvoller Lyrik. Sie beschäftigte sich an diesem Abend zudem mit den Randbereichen unserer Gesellschaft (Obdachlose) und machte auch vor erotischen Beschreibungen nicht halt.

 

Wie immer nahm auch an diesem Abend Jürgen Brümmer kein Blatt vor den Mund. Seine von manchen als erfrischend, von anderen als stammtischhaft wahrgenommen Ansichten in „Der Nazi“ und „Wo ist Rolf“, sind möglicherweise darauf zurückzuführen, dass das Wort „braun“ sehr oft bei ihm vorkam. Gleichwohl zeigt sein Auftritt wieder einmal die enorme Bandbreite und Vielseitigkeit der Vorträge und Themen, die die Lesebühne seit langem auszeichnen.

 

Opa Kurt, alias Kurt Guske, kalauerte und brachte Dönekes, wie man es von ihm seit langem kennt. Dass er aber auch eine sehr sentimentale Seite hat, wurde dem Publikum bei seiner Geschichte über die Wanderung der Seelen von Hugo und Dieter deutlich. Die Botschaft, dass eine Seele ohne Aufgabe endgültig vergehen würde, schien ihm an diesem Abend sehr wichtig gewesen zu sein.

 

Christiane Rühmann entließ das gestärkte und gut gelaunte Publikum in die Sommerferien an einem milden warmen Sommerabend, der noch lange nicht zu Ende war.

 

 

Rolf Blessing 10.07.2019